Montag, 9. August 2010

Staatskirche raus aus den Kliniken!



Ich hatte nicht schlecht gestaunt. Als Neuer Assistenzarzt nahm ich zum ersten Mal in dieser psychiatrischen Klinik an der Morgenbesprechung teil. Klassischer Aufbau. Vorne in der Querreihe thronten die Chefärzte. Und mitten unter den bedeutenden Weißkitteln ein schwarzes Schaf. Ein Pfarrer!
Was in drei Teufels Namen hatte der Wahnhafte im Gremium der Wahnjäger zu suchen?
Ach ja, ich war ja in einem kirchlichen Haus gelandet. Katholische Geistliche, die hier von sexuellen Deviationen hören, können über normalen Sex ja so viel mitreden wie der Blinde über die Farben. Wenn der Träger einer Einrichtung zur Wahnerkennung selbst einem Wahn nachhängt, dann würde ich sagen “erfolgreich den Bock zum Gärtner gemacht!” Der Pfarrer der über die jungfräuliche Empfängnis oder das Wandeln übers Wasser erzählt, der erfüllt alle Kriterien eines Wahnkranken (außer er weiß, dass er lügt, dann ist er gesund aber durchtrieben).
Die Pflegedienstleitung der Einrichtung war auch noch fest in der Hand eines Ordens. Die Schwester Oberin sass dann in den Personalgesprächen mit dabei auch wenn es um Ärzte ging, denn da war sie ja in der Funktion der Leiterin des Ordens.
Besonders verrückt! ( man beachte, dass wir uns hier in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden) wurde es, als es um Lesben, Schwule und Geschiedene ging. Die gab es in diesem “Tendenzbetrieb” nicht, bzw, die durften das nicht bekannt werden lassen. Hier schlug die Brandung des Grundgesetzes vergeblich an die modrigen Mauern des Mittelalters und der Lebenslügen.
Besonders erheiternd fand ich es immer, wenn morgens bei der Besprechung die pittoresken Wahnformen beschrieben wurden und dann immer mal wieder ein religiöser Verkündigungswahn dabei war. Da musste das schwarze Pfarrerschäflein neben den Chefärzten doch gleich den Ausbruchsplan für den Bruder in Ketten schmieden? Welche Realsatire das Leben doch immer wieder bereithält!
Kirchliche Häuser kennen kein Streikrecht, die Chancen für ein Durchsetzen dieses Grundrechtes stünden zwar gut aber den Prozess wagte bisher noch niemand. Im Einstellungsgespräch kann die religiöse und sexuelle Orientierung thematisiert werden, was in jedem anderen Betrieb undenkbar wäre. Die Möglichkeit der Pflege, sich über die Position als Kirchenvertreter in medizinische und personelle Details der Ärzte nicht nur einzumischen, sondern sie zu dominieren ist ein rückwärtsgewadter Geist der Despotie.

All diese Deformierungen der freiheitlichen Grundrechte erzeugen ein Klima, das sich niemand freiwillig aussuchen würde (Hard-Core-Christen ausgenommen).
Ausserdem bekommen kirchliche Häuser ihren Unterhalt zum größten Teil säkular bezahlt. Die Krankenkassen und staatliche Zuwendungen geben diesen Trägern das Geld, mit dessen Hilfe sie ihre Machtposition in der Krankenhauslandschaft erhalten, sich dabei aber als der großzügige Zahlmeister darstellen, der sie gar nicht sind.

Der freundliche menschliche Umgang mit kranken Menschen liegt nicht an einer kirchlichen Zugehörigkeit, sondern am Engagement der einzelnen Mitarbeiter. Nicht erst seit Mixa und dem prügelnden Menschenverständnis der kirchlichen Erziehungseinrichtungen ist klar, dass die Staatskirchen keinen Vertrauensvorschuss mehr verlangen können.
Kirchen gehören raus aus den Chefetagen der Krankenhäuser. Pfarrer dürfen ihre Schäfchen gern im Krankenhaus besuchen, wie das der Muselmann mit seinem Gebetsteppich auch darf. Mitreden bei ärztlichen Dingen aber dürfen die Burschen nicht. Besonders beim Wahn wird der Irrsinn der religiösen Einmischung so herrlich offensichtlich.

9 Kommentare:

  1. Hallo, ich muss eine Kleinigkeit korrigieren bzw meine Meinung darstellen. Ohne besonders religiös zu sein!
    Ich kann die Sprüche ("Pfarrer sind wissenschaftlich ungebildet oder dumm, wenn sie aus der Bibel zitieren")nicht mehr hören
    Jemand, der sich ernsthaft darum kümmert, merkt, dass es immmer übertragene Sinnhaftigkeiten gibt:

    Wasser (bzw. Traubensaft) wird echt zu Wein (dauert nur eben eine ganze Weile). Und wie erklärt man sich die alkoholische Gärung im 1.JH ohne das zutun eines Gottes?
    Medizinische wunderheilung (Zufall) musste auch erklärt werden.
    Die Geschichte von der Schöpfung liest sich ganz anders, wenn man die Vorgängerform Enuma Elisch kennt. Weil sich die Juden davon abgrenzen wollten ist vieles einfach gegenteilig geschildert.

    Es gibt auch keinen Konflikt zwischen Naturwissenschaft und Religion (siehe das An-einander-vorbei-argumentieren bei der Diskussion um die Evolution).
    Die Bibel hat keinen Anspruch Phänomene zu erklären.
    Aber es kann mir niemand sagen, wieso die Materie aus Atomen/ Ionen besteht. Wieso es das Prinzip "survival of the fittest" gibt. Wieso es den Urknall gab.
    Man kann sehr ganau hinsehen, aber irgendwann kommt man an einen Punkt, der sich ohne einen Gott nicht erklären kann.

    Die aktuelle Definition für Religion ist: Das, was uns am meisten bedeutet und angeht.
    Wer kann da sagen, dass ihm nichts wichtig ist, es gibt keine Atheisten.

    "Religion ist überflüssig, überholt, ..." WAS FÜR EIN BLÖDSINN

    Ein schöner Blog ansonsten
    Liebe Grüße noch

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  3. @Anonym:
    Von all dem hab ich zwar nichts gesagt, denn primär geht es mir um das vollkommen unnötige “Trojanische Pferd” der Staatskirchen, die mit ihren Machtapparaten “Kirchliche Kliniken” ihren weltanschaulichen Unsinn unter Anwendung von (antigewerkschaftlicher) Gewalt verbreiten.

    Aber ich antworte gern auf die Thesen:
    Pfarrer sind tatsächlich so ungebildet wie Hinz und Kunz, denn ihr Studium ist ungeheuerlich weit von wissenschaftlicher Arbeit entfernt.
    Das Wasser - Wein - Märchen basierte ja gerade auf dem Instant-Effekt.
    “Wunderheilungen” in der Medizin gibt es nicht. In seltenen Fällen gibt es sogenannte “Spontanheilungen” deren Entstehung nur unwahrscheinlich ist aber niemals unmöglich oder Zauberei. Und was da in der Bibel beschrieben wird ist klassische Zauberei.

    Was auch immer über die “Schöpfung “ geschrieben wurde, ob von Juden oder von konkurrierenden Gruppen ist historisch gesehen vollkommender Müll. Die C-14 Methode schon hat das alles per korrekter Datierung zu Demagogie diskreditiert.

    Es gibt sehr wohl einen Konflikt zwischen Religion und Naturwissenschaft. Erst wenn man die Religion reduziert zu einer solchen These:”Das, was uns am meisten bedeutet und angeht.” Dann ist natürlich kein Konflikt mehr da.
    Wissenschaft hat ja hier keine Aufgabe. Im Subjektiven Bereich kann man immer seine “Religon” in diesem Sinne finden. Evolution hat nicht die Aufgabe zu erklären was ihre Gesetze irgend wann mal erzeugt hat. Gerne kann da irgend etwas Unerklärliches lauern.
    Evolution, wie jede Wissenschaft, hat nur die Aufgabe Zusammenhänge zwischen Phänomenen aufzuklären, daraus Prognosen für die Zukunft zu ermöglichen und auch in allen ihren Thesen FALSIFIZIERBAR zu sein. Das heißt, wenn jemand schlüssig beweisen kann, dass eine These nicht stimmt, wird sie verworfen. SO ETWAS ist für Religionen Gift. Die haben immer einen Alleinvertretungsanspruch. Wer sich mal die mühselige Arbeit macht diese Bibel zu lesen, der liest da kruden Mist, der weder mit Logik noch mit Wissenschaft vereinbar ist.

    Atheisten sind nicht die Leute, denen nichts wichtig ist. A-Theisten sind die, welche nicht an einen Gott glauben. Typischerweise die vom Monotheismus Abgefallenen - das sind Atheisten. Die können, so wie ich sehr humanistisch sein, viel mehr Empathie besitzen als die Bezahlprediger (Profi-Priester) und die können sogar tolerant gegenüber den Monotheisten sein. Es ist die Desinformation der Staatskirche, die aus den Atheisten “Teufel” gemacht hat.

    Keiner sagt, Religion sei überflüssig. Sie wirkt sinnstiftend. Es kommt nur darauf an ob man Religion mit dem Unsinnsbuch Bibel verbindet. Dann wird aus einer vielleicht nächstenliebenden Freundlichkeit ein trojanisches Pferd, dass Intoleranz, Machtgeilheit und Wissenschaftsfeindlichkeit tranportiert, wie es uns ihr ungehemmtes Agieren währen der Jahre der spanischen Inquisition bestens vorführte.

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  4. Ich wollte noch mal etwas klarstellen: Über den kirchlichen Einfluss von Kirchen auf Kliniken weiß ich nichts, es ging nur um die Bedeutung von Religion.

    Ich glaube, ich wurde etwas falsch verstanden.
    Stand der Religionssoziologie (wirkliche empirische Wissenschaft) ist, dass es keine sog. Atheisten (terminus technicus dieser Wissenschaft und nicht auf Gott bezogen, auch von der Wortursprung das vermuten lässt) gibt. Jeder hat seine Religion/ Gott, das kann auch z.B. der berufliche Erfolg sein.

    Ich sagte ja, dass die Religion keinen Anspruch haben kann die Erklärung für Phänomene zu sein.
    Díes ist Aufgabe der Wissenschaft. C-14-Methode, Evolution, ... ist richtig und keine theologischen erklärungen.



    Aber Religionhistorisch gab es Erklärungsdefitizte, die man mit Gott gefüllt hat. Diese geben vielen Menschen heute noch Sinn und Hoffnung, nehmen ihre Ängste, stiften Gemeinschaft, ...
    Solange gutes dabei herauskommt (Nächstenliebe,...) kann uns die Existenz von Religion recht sein.

    In der evangelischen Theologie wird das so oder so ähnlich kommuniziert.

    Zu meiner Religion: Es kann mir niemand sagen, warum die Welt aus Atomen besteht. Wieso diese aus Elektronen, Neutronen und Protonen und diese aus Quarks,....
    Ich kann also nicht ausschließén, dass diese von jemandem geschaffen wurden.

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  5. Letzteres kann man zwar nicht ausschließen, eine beliebige andere Erklärung kann aber den gleichen Anspruch auf Richtigkeit erheben. Die Anzahl der möglichen Alternativerklärungen zu dem alten Herrn mit weißem Bart ist damit unendlich.
    Die Erklärung aus "Hitchhiker`s Guide to the Galaxy" ist mir zB sympathischer.

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  6. "Religionssoziologie" ist eine empirische Wissenschaft? Vielleicht aus Sicht eines Gläubigen... ;-)

    Ich kann dem Autor nur zustimmen. Religion hat in den Kliniken nichts zu suchen. Ich habe nichts gegen religiöse Menschen, solange sie ihren Wahn privat ausleben. Wenn sie aber beginnen zu missionieren - und das noch mit Steuergeldern - endet der Spass für mich.

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  7. Mir fällt es echt schwer, in unserer Klinik die Aushänge für die nächsten Kirchengottesdienst aufzuhängen, wenn ich danach ne Schuppse Haldol verteilen muss.. Und dabei ist das, was unsere Patienten so von sich geben, nicht mehr oder weniger "Irre", als das was so in der Bibel steht.

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  8. Sag mal, Dr. Offenraus... wenn du so große Probleme mit der Philosophie deines Arbeitgebers hast - WARUM ARBEITEST DU DANN DORT?

    Du unterstützt so ja letztlich durch deine Arbeitskraft etwas, das dir zutiefst widerstrebt.

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  9. "Philosophie" des Arbeitgebers? Bist Du Priester? Das ist doch keine Philosophie, das ist Machtmissbrauch. Diese Leute sind arrogante Absolutisten. Da hat die Aufklärung noch nicht mal angeklopft. Wenn ich dort arbeite, dann quäle ich mich um eine Weiterbildung zu bekommen, die nicht von diesen Idioten auf der Kommandobrücke kommt. Und ich arbeite als Arzt für arme kranke Menschen. Das sind zwei gute Gründe. Wenn Du wegen der moralischen Pleite Deines Chefs den Job hinwirfst, dann kommst Du nicht weit im Leben, Gevatter.

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